Bericht 06
BuiltByNOF

Um es vorneweg zunehmen: Das diesjährige Rennen wurde vom schönstem Winterwetter begünstigt und sollte ein besonderes Erlebnis werden und am Ende sogar zu einem Sprintrennen über die letzte Etappe von 85 km ausarten!

Es gab dieses Jahr neue Gesichter im Organisationsteam und es hatte den Anschein, als ob diese einen besonderen Draht zu Petrus hatten. Schon drei Wochen vor dem Rennen stellte sich Hochdruckwetter ein. Nachts -20 Grad und tagsüber strahlende Sonne, zum Glück mit kurzen Perioden des Schneefalls. Das erlaubte dem Pistenchef Mikael, der gleichzeitig die Einman-Trail-Crew bildete, die langfristige, solide Präparation der Strecke ohne Verwehungen über die 300 plus Kilometer. Über so eine feste Spur hätte sich dieses Jahr so manches Sprintrennen „hier unten“ gefreut.

Der Massenstart auf dem See ist dem stressfreien Einzel-Start im 2 Minuten Abstand geopfert worden. Das war gut für die Hundegespanne, die so ohne Hektik und Gerangel auf die Strecke gehen konnten. Anneliese und einige Zuschauer haben ihn vermisst, aber kaum einer der Starter.

Ich ging als erster auf die Strecke. Die war ganz unschwedisch (das ist unzulässig verallgemeinert) fest und in bestem Zustand, so dass ein paar Kilo mehr Ausrüstung  im Schlittensack keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschwindigkeit hatten. Außer bei den Mitteldistanzrennen haben wir die Hunde sowieso immer mit Gewicht gefahren, schon seit Beginn des Schneetrainings Ende Dezember.

Der Januar wurde ein stressiger Monat für uns, da es reichlich schneite und ein anhaltender Wind die mit dem Schneemobil gemachten Spuren in wenigen Stunden wieder zuwehte. Mit meiner Anmeldung beim Femundlopet standen wir deshalb dauernd unter dem Druck, lange Strecken fahren zu müssen. Deshalb hieß es nun für die Leader immer wieder „Trail suchen“, da meistens keine Zeit mehr für ein erneutes Vorspuren blieb. So kam es, dass wir manchmal acht oder neun Stunden unterwegs waren, um eine 60-km-Runde zu trainieren. Wir stellten dabei wieder mal fest, dass es nicht auf die eigentlichen Kilometer ankommt, die man für ein (Langstrecken-)Rennen trainiert, sondern auf die Zeit, die man mit den Hunden unterwegs verbringt. Meine längste Trainingseinheit über 120 km dauerte mit Übernachtung 24 Stunden. Eigentlich nicht unbedingt lang genug, um ein schnelles 300-km-Rennen zu gewinnen.

Nach dem ausgedehnten Tiefschneetreten glaubten wir, das Gespann ausreichend für das Anfang Februar stattfindende Femund-400 vorbereitet zu haben. Einen Tag vor dem Start der Offenen Klasse saßen wir in Röros, wo es vom Himmel herunter schüttete, leider aber nicht Schnee sondern Wasser! Der Parkplatz hatte sich zu einer Glatteisbahn verwandelt, auf der man die Hunde nur mit Spikeschuhen aus dem Auto nehmen konnte. Der Trail um Tufsingdahlen, den man von der Straße und dem Auto aus erblicken konnte, zeigte reichlich braune Stellen und vielleicht noch 10 cm Schneepappe. Auf den Seen und im tieferen Gelände stand Wasser oder Schneematsch.

Frustriert lümmelten wir abends dann im Hotelzimmer vor dem Fernseher herum und kamen zu der Feststellung, dass wir für solche Bedingungen eigentlich nicht nach Skandinavien fahren brauchen. 12 Jahre zurück, als noch niemand etwas von der globalen Erwärmung wissen wollte, haben Anneliese und ich in den U.S.A. an einem Rennen mit gravierendem Wärmeeinbruch teilgenommen. Ein Musher (Bill Orazietti), der nach seiner Pflichtpause im UP200 die Little Bay du Noc am Lake Michigan überqueren wollte, kam wegen aufkommenden Nebels vom Weg ab und geriet auf dünnes Eis, wo er 100 m vom Ufer entfernt mit seinem Gespann ertrunken ist. Dieses Erlebnis hat bis heute seine Spuren bei uns hinterlassen. Also mal telefonieren, wie es so bei der Trans-Thüringia aussieht: Schnee bis zum Abwinken und sie lassen uns starten. Nächsten Morgen – es regnet immer noch - um 09:30 Abmeldung in Röros und um 10:00 „Abflug“ nach Thüringen. Inzwischen ist die Warmluft auch über die norwegisch-schwedische Grenze geschwappt. Nach dem Reifenwechsel (Spikes) in Südschweden  (-11 Celsius in der Nacht!) geht es Non-Stop  nach Thüringen. Leider nicht schnell genug, um nicht in der Tourenklasse starten zu müssen. Hat aber trotzdem wahnsinnig Spass gemacht!

 

Während mir diese Dinge durch den Kopf schießen, nähern wir uns nach 45 km und 2:35 Stunden dem ersten  Checkpoint „Storbäcken“. Mein Handler ist noch nicht da, aber alle Hunde sehen gut aus und ich habe keinen abzugeben. Anneliese hat nicht mit dieser Geschwindigkeit gerechnet, erwischt mich aber noch beim Verlassen des Checkpoints und fragt nach dem Zustand des Teams.

Die Sonne scheint, es wird wärmer und der nun vor uns liegende Trail ist größtenteils baumfrei. Nach ca. 80 km gibt es einen ruhigen Platz zum Pausieren, den die Hunde schon kennen. Ich will dort anhalten, mit Fleischsuppe tränken und Snacks füttern.

Kein Hund verweigert das Tränken und nach dem Einpacken der Utensilien geht es flott weiter. Zwei Gespanne haben mich in der Zwischenzeit überholt, Hannes (Krempl) pausiert ein Stückchen weiter und das Schweizer Gespann ankert noch einige Kilometer weiter und wartet scheinbar auf einen Schrittmacher. Nach der Überquerung des Österdalälven bei Kringelfjorden geht es dann auf einer gegenüber dem Vorjahr veränderten Strecke in Richtung Checkpoint „Offroad“. Meine Hunde kennen den Weg, denn wir haben hier schon ein paar Tage vorher trainiert. Um 17:15 Uhr treffen wir als erstes Nomestyle Gespann ein und benötigen damit einschließlich der Pause 8:15 Stunden für die ca. 124 km,  bei einem Gesamtanstieg von mindestens 1250 m.

Die Tierärztin begutachtet das Gespann und  mein Händler führt mich zu einem für die Hunde ruhigen Schlafplatz am Ende des Camps. Ich finde den Platz bescheiden, weil ich dauernd die Schneekruste durchtrete, während ich das Team versorge und die Decken anziehe. Außerdem ist er am weitesten weg von der Wasserstelle und dem Klo im Offroad Gebäude, aber dafür direkt am Restart. Mein Händler und ich maulen uns eine Weile an, worauf Anneliese das Weite sucht.

Ich hole Wasser,werfe den Kocher an, füttere, tränke und krieche dann in meinen Schlafsack. Zwei Stunden vor meinem Restart klingelt der Wecker. Es ist -24 Grad und meine Muskeln und steifen Gelenke beschweren sich über die zu kurze Ruhepause. Anneliese erscheint auch schon wieder um zu sehen, ob ich nicht verschlafen habe. Ich beeile mich, die Hunde zu versorgen und hoffe, durch die schnellen Bewegungen endlich warm zu werden. Außerdem will ich alle Hunde bei diesen Minusgraden mit Booties laufen lassen, da bei dieser Kälte der Schnee in den Füssen Klumpen bildet.

Mein Schweizer Mitkonkurrent ist auch schon fertig zum Start, scheint aber auf meine Abfahrt zu warten. Da ich diesmal kein Schrittmacher sein will, bootie ich in Ruhe meine Hunde und lasse ihn fahren. 15 Minuten später, es ist einige Sekunden vor Mitternacht,  sind meine 10 Hunde und ich auf dem Trail und beginnen den Aufstieg in die Fjälls. Ich werde mit einer unvergleichlichen, windstillen Vollmondnacht belohnt, in der man ohne Kopflampe fahren kann. Die Berggipfel sind in silbriges Licht getaucht. Außer uns scheint es kein anderes lebendes Wesen im weiten Umkreis zu geben, nur ein Paar rote Ski liegen einmal am Wegesrand. Das Gespann scheint während des Anstiegs Flügel zu haben, so schnell sind wir oben. Im Checkpoint Lövhögen parken zwei Gespanne. Ich mache Check-In und Check-Out gleichzeitig und fahre durch.

Nach 6:29 Stunden, 96 km und ca. 1050 m Gesamtanstieg erreichen wir um 06:29 wieder den Checkpoint „Offroad“. Hier rechnet noch niemand mit einem Gespann, ich werde erst als „ankommend“ registriert, als ich eine halbe Stunde später das Wasser für meine Hunde hole, nachdem ich ihre Booties entfernt und ihnen die Decken übergezogen habe.

In der Zwischenzeit ist auch mein Schweizer Konkurrent eingetroffen. Er hatte gerade eine Pause in Lövhögen begonnen, als ich kam und ist schnellstmöglich wieder aufgebrochen. Jetzt ist es klar, dass es ein Wettrennen zwischen ihm und mir über die letzte Teilstrecke geben wird. Sein Team hat dieses Jahr das Femundlopet beendet und verfügt eigentlich über mehr Erfahrung als meine Hunde.

Meine Doghandlerin ist in der Zwischenzeit auch wieder präsent, da ich sie beim Eintreffen in Offroad mit dem Handy aus dem Bett geklingelt habe.

Obwohl alle Hunde ihre warme Fleischsuppe wegputzen, wollen die meisten anschließend nichts mehr fressen. Das Team kann nach diesem schnellen Lauf wohl auch nicht richtig entspannt pausieren, obwohl die Hunde müde sind. Trotz Hundedecken fangen einige an zu frieren und ihr Bewegungsablauf wird immer steifer. Musher und Doghandler beschließen, die Pause kurz zu halten. An der Leine trabe ich jeden Hund einzeln warm, damit Anneliese ihn auf Unregelmäßigkeiten im Bewegungsablauf begutachten kann. Zwei Hunde werden aus dem Team genommen.

Mein Schlitten ist um 8:45 Uhr gepackt und die Tierärztin checked mein 8-Hunde-Team aus. Antoine Heritier steht auch schon in den Startlöchern und folgt mir zwei Minuten später mit seinem auf 7 Hunde reduzierten Gespann. Es ist ein strahlender sonniger Tag und es wird warm werden, deshalb vermeide ich jedweden Druck auf meine 8 verbliebenen Kämpfer. Langsam kommen die steifen Gelenke meiner Huskies auf Betriebstemperatur und sie schlagen ihren flotten Trab an. Nach 30 km, wir haben inzwischen +3 Grad, fährt mein Konkurrent auf und ich frage ihn, ob er vorbei möchte.

Er überholt und setzt sein Team unter Druck, versucht, mir davon zu fahren. Ich bin ganz dankbar für die Schrittmacherdienste und kann so mein Gespann stressfrei hinterher fahren. Die letzten drei Kilometer auf dem See sollten zum Überholen ausreichen. Die nächsten 30 km fahren wir mit 100 bis 500 m Abstand hinterher. Das offene Gelände erlaubt dabei immer den Blick auf den Vordermann. Dabei bestätigt sich meine Vermutung, dass ich hier und heute die besseren Hunde habe.Trotz mehrerer Pausen zum Snacken und zum Wechsel der Leithunde können wir immer wieder ohne Mühe aufschließen. Die beiden eingewechselten jungen Leithunde machen deutlich mehr Speed als Derby und Dallas, die beiden 7 Jahre alten Leader.

Die letzten 25 km geht es fast nur noch bergab. Wir fahren jetzt im Abstand von ein bis zwei Gespannlängen hinterher, man weiß ja nie. Drei Kilometer vor dem Ziel biegen Pierres Hunde plötzlich vom Trail ab. Die Gelegenheit ist günstig,  meine schwarzen Mädels Howdye und Lima legen noch mal einen Zahn zu. Wir “fallen” die Böschung zum See hinunter. Dann noch drei Kilometer über den See pedalen und die Böschung hinauf zum Ziel. Schrecksekunde beim Verlassen des Sees: die beiden wenig erfahrenen Leithunde wollen einer Schneemobilspur folgen. Ankern, korrigieren und weiter, die letzten 200 Meter. Eine juchzende Gruppe von Handlern, Streckenposten und ein paar Zuschauern begrüßt uns, als wir nach 6:23 Stunden, 87 km und noch mal 500 m Gesamtanstieg das Ziel erreichen. Eine Minute später kommt mein Verfolger ins Ziel.

Mein Dank für dieses unvergessliche Rennen geht an meine Hunde, meine Handler, alle Helfer, Mitkonkurrenten und nicht zuletzt die unermüdlichen Mitglieder der Rennorganisation.